Erinnerungen von Pastor i. R. Salefski zur Geschichte der Kreuzkirche
Geschichte
Anlässlich des 40. Geburtstages unserer Kreuzkirche 2004 hat uns Pastor i. R. Salefski, der erste Pastor der Gemeinde, seine Erinnerungen an die Gründungszeit aufgeschrieben. Zu diesem Zeitpunkt lebte er schon einige Jahre in Nessmersiel / Ostfriesland.
2008 ist Pastor i.R. Salefski kurz vor seinem 94. Geburtstag verstorben.
Die Bilder fanden sich in alten Fotoalben.
Pastor i.R. Herbert Salefsky
Erinnerungen an Planung und Bau der Kreuzkirche Lüneburg zum 40jährigen Kirchweihtag am 1.Advent 2004
Am 15.Mai 1959 fand im Speisesaal des damals gerade vor einem Jahr eröffneten Posener Altenheims ein Gemeindeabend statt, zu dem die evangelischen Gemeindeglieder aus dem Süden Lüneburgs eingeladen waren. Thema des Abends: Bau einer Kirche in Lüneburg-Süd. "Neuer Stadtteil- neue Kirche", so wurde formuliert.
Ein "Kirchbauverein St.Johannis-Süd" wurde als eingetragener Verein gegründet. Ein Verein mit Satzung und eigenem Vorstand. Ich sehe uns noch, wie wir Gründungsmitglieder uns vor dem Gerichtsgebäude trafen, um die Eintragung im Vereinsregister vornehmen zu lassen Die Gründungsmitglieder waren die Gemeindemitglieder Ackermann, Amoneit, Bierbaum, Hupe, Hans Meyer, Dr.Zollikofer und ich.
Aufgabe des Vereins: Sammlung von Gemeindegliedern, denen dieser Kirchbau ein aktives Anliegen war und Aufbringung von Spenden.
Dieser Kirchbauverein bestand, bis die Orgel der Kreuzkirche beschafft war, also bis 1970 oder wenig später. Er hatte etwa 300 Mitglieder, die zu regelmäßigen Versammlungen eingeladen wurden. Fast 100.000,- DM hat dieser Verein zum Bau der Kreuzkirche beigetragen.
Der Name der neuen Kirche wurde zunächst im Kirchbauverein besprochen. Mehrere Vorschläge lagen vor. Vom zuständigen Dezernenten im Landeskirchenamt kam der Vorschlag ,,Melanchthonkirche". 1960 war ein Melanchthon-Jahr. Zum 400.mal jährte sich der Todestag dieses Reformators. Landessuperintendent Dornblüth, ein Förderer des Kirchbauvorhabens, -- ich denke noch gern an eine Kirchenbesichtigungsfahrt mit ihm --, hätte gern mit dem Neubau den Namen der früheren "Lambertikirche" wieder erweckt. Der unvergessene Kirchenvorsteher Hans Meyer warb für den Namen "Jakobuskirche". "Seid Täter des Wortes, nicht nur Hörer allein!" dieses Wort des Jakobus war für Hans Meyer bestimmend. Auch der Name "Christophoruskirche" wurde genannt.
"Kreuzkirche" wurde im Kirchbauverein eingebracht. Eine Mehrheit entschied sich für diesen Namen als klaren Hinweis auf die zentrale christliche Botschaft. Ein entsprechender Antrag wurde an den Kirchenvorstand von St. Johannis gestellt und dort beschlossen.
Als Bauplatz für die neue Kirche wurde zunächst an das Gelände zwischen Blücherstraße und Gneisenaustraße gedacht, das damals noch unbebaut war. Mit der Wohnungsbaugesellschaft Neue Heimat, der die Fläche bereits zugesagt war, wurde ein Schriftwechsel geführt. Der Kirchenvorstand trat jedoch zurück, da dieser Bauplatz zu nahe am Stadtzentrum erschien. Das städtische Grundstücksamt schlug einen Platz an der Wichernstraße vor. Auch hier gab es Einwände: die neue Kirche hätte sehr an der Grenze der Gemeinde gelegen, dahinter Wald, gegenüber der unpassierbare, große Kasernenblock. Zuletzt schlug die Stadt den jetzigen Platz an der Röntgenstraße vor, der lag zwar auch dicht am Wald und war verhältnismäßig schmal, -die Waldgrenze sollte erhalten bleiben, aber wir haben gern und dankbar zugestimmt. Als Abschluss der Gaußstraße liegt der Platz günstig. Die Kirche ist schon von der Uelzener Straße her zu sehen. Die Stadt Lüneburg, seit Jahrhunderten Patron von St. Johannis, schenkte das Grundstück für den Bau der neuen Kirche.
Bauplatz 1962
Schon vor 1964 hat es Sammelpunkte gemeindlichen Lebens in Lüneburg - Süd gegeben. Da waren die Gottesdienste im oberen Stockwerk der Hasenburger Schule im dortigen Zeichensaal. Die Schulrektoren Herr Wichmann und seine Nachfolgerin Frau Radomski förderten diesen kirchlichen Dienst. Mein Vorgänger an St. Johannis, Herr Pastor Dr. Cramm, hatte bereits 1954/55 dort einmal monatlich mit Gottesdiensten begonnen. Nach seinem frühen Tod war eine Unterbrechung eingetreten. Im Oktober 1956 nahm ich diese Gottesdienste wieder auf -vierzehntäglich- und stets mit Abendmahlsfeier. Es bildete sich ein kleiner liturgischer Chor und ein Lektor wirkte für die Lesungen und die Abkündigungen mit. Am Harmonium saß zunächst Frau Menke sen. aus der Soltauer Straße und später Frau Dahling. Diese Gottesdienste waren immer gut besucht. Die Menschen kamen von weither. Man lernte sich kennen, begrüßte sich. Gemeinde entstand. Für die Abendmahlsfeier stiftete Frau Erler, Mutter von Frau Hansen, Bockelsberg-Ost, einen Kelch. Auch Kindergottesdienste fanden regelmäßig statt, soweit ich mich erinnere, gleichzeitig in einem Klassenraum. In bewundernswerter Weise hat der Hausmeister der Schule, Herr Lühr, jedes Mal das Umräumen der Stühle und Tische übernommen. Fräulein Weigelt sorgte als Gemeindehelferin für Altartisch und Lesepult. Diese Gottesdienste konnten bis März 1963 durchgeführt werden. Wegen Umbauarbeiten in der Schule konnten sie nicht fortgesetzt werden. Es war ein Dienst, an den ich dankbar zurückdenke.
Das gleiche gilt für die Waldandachten auf dem Bockelsberg. Pfingsten 1957 übergab sie mir Pastor Kügler (St. Nikolai- und Martin-Luther Gemeinde). Bis August 1980 konnte ich sie halten. Pastor Kügler, ein Balte, volksmissionarisch begabt und aktiv, hat diesen Platz für Waldandachten vermutlich Mitte der dreißiger Jahre ausgewählt. Er sagte mir, er hätte zunächst zu einer noch früheren Morgenstunde als 8 Uhr begonnen. Dorthin kamen Menschen aus der ganzen Stadt. Werbeplakate hingen an vielen Stellen. Als das Bockelsberg-Gebiet bebaut wurde, kamen die Besucher gerade von dorther. Immer wirkte der Posaunenchor mit. Die Leitung hatte Johannes Stolper, nach ihm Wilhelm Henning. Für die Sitzgelegenheiten sorgte Frau Fromhold-Treu, Schwägerin von Pastor Kügler. Sie holte mit ihrem kleinen Lieferwagen Klappstühle zunächst aus der Nikolai-Kirche, später aus dem Pfarrhaus St. Johannis-Süd in der Barkhausenstraße und dann aus der Kreuzkirche. Oftmals haben wir wohl am Sonntagmorgen besorgt nach dem Wetter geschaut. Soweit ich mich erinnere, ist eine Waldandacht jedoch niemals ausgefallen.
Posaunenchor bei der Waldandacht Foto: Riebesell
Der dritte Sammelpunkt kirchlicher Arbeit waren die Altersheime: das 1958 eröffnete Altenheim der Posener Evangelischen Kirche und seit 1960 das Städtische Anna-Vogeley-Heim (Inzwischen geschlossen). (Das Hasenburger Heim - inzwischen abgerissen - wurde bis 1963 durch Pastor Ebert von St. Michaelis betreut.) In den beiden erstgenannten Heimen fanden vierzehntäglich gut besuchte Bibelstunden statt, im Hasenburger Heim alle vier Wochen. Im Anna-Vogeley-Heim und im Hasenburger Heim hielt zwischenzeitlich der Prediger der Landeskirchlichen Gemeinschaft Bibelstunde. Besonders zu Prediger Seifert bestand ein gutes Verhältnis. Regelmäßig wurden Besuche in den einzelnen Zimmern gemacht, auch Einzel-Abendmahlsfeiern wurden gehalten. In der Karwoche und am Bußtag wurden in den Heimen Gottesdienste mit Abendmahlsfeier gehalten. In das Posener Heim kamen auch Teilnehmer aus den umliegenden Häusern.
Das Besondere des Vogeley-Heimes waren damals die pflegenden Diakonissen aus dem Mutterhaus Altvandsburg in Lemförde ( dorthin nach 1945 aus Ostpreußen umgesiedelt ).Die erste leitende Schwester war Schwester Meta, ihr folgten Schwester Ida und dann Schwester Emma. Diese Diakonissen haben nicht nur kundig und gewissenhaft die alten und gebrechlichen Heimbewohner körperlich versorgt, sie haben auch Seelsorgedienste geleistet, auf den Fluren gesungen, die Entschlafenen mit einer Andacht ausgesegnet.
Nach Einweihung der Kreuzkirche waren die drei Altersheime durch eine Übertragungsanlage mit dem Gottesdienst der Kirche verbunden. Einige Diakonissen konnten sich regelmäßig zum Gottesdienst in der Kirche frei machen, gehörten zum Bild der gottesdienstlichen Gemeinde.
Für die Raumplanung der künftigen Kirche war wichtig, dass der Neubau auch kirchliches Zentrum für die evangelischen Soldaten der Scharnhorstkaserne und der beiden Bundeswehr- Wohnbereiche in der Reinecke- und der Kochstraße sein sollte. Es waren also Räume für die Arbeit des Militärpfarrers einzuplanen. Die Mitbenutzung der Kreuzkirche durch die evangelische Militärseelsorge wurde vertraglich geregelt. Im September 1972 trat Pastor Schulz-Sandhof als hauptamtlicher Militärpfarrer seinen Dienst an. Bis dahin war ich nebenamtlich als Standortpfarrer eingesetzt.
Zu meinen Erinnerungen als Standortpfarrer gehört, dass damals die Einheiten in geschlossener Formation zum Gottesdienst anrückten. Die Militärgottesdienste lagen immer am frühen Morgen: 7 Uhr 30 oder 8 Uhr. Gelegentlich hat auch das Musikkorps die zum Gottesdienst marschierenden Soldaten mit klingendem Spiel zur Kirche begleitet, nicht nur nach St. Johannis, sondern auch durch die Wichernstraße zur Kreuzkirche.
Die Kreuzkirche auf einer Postkarte von 1970
Bis es soweit war, mussten Planung und Bau des Kirchenzentrums vorankommen, Schwierigkeiten überwunden werden. Anfang 1960 wurde ein Architekten-Wettbewerb durchgeführt, an dem mehrere Architekten teilnahmen, deren Kirchbauten uns aufgefallen waren. Aus Lüneburg waren die Architekten Herrmann und Rack beteiligt. Das Preisrichter-Gremium tagte unter Vorsitz des Baudirektors beim Landeskirchlichen Amt für Bau- und Kunstpflege Hannover. Dem Entwurf der Hamburger Architekten Karl Trahn und Dipl. Ing. Einhard Hölscher wurde der 1. Preis zuerkannt. Die Modelle aller eingereichten Entwürfe wurden im Gemeindehaus An den Reeperbahnen zur Besichtigung ausgestellt.
Die Architekten haben mir ihre Bauidee eingehend erläutert. Es lag ihnen daran, einen Kirchenraum zu schaffen, der dem Eintretenden Stille und Geborgenheit vermittelt. Darum haben sie den Kirchenraum dicht an den Waldrand gerückt, nach der Straße durch Pfeiler und Ziegelwände abgeschirmt. Vor der Kirche sollte ein umfriedeter Platz geschaffen werden, einige Stufen erhöht über dem Niveau der Straße. Bevor man die Kirche betritt, sollte ein Weg hinaufgegangen werden. Dieser Platz wurde flankiert durch Wohnungen von Mitarbeitern, zur Straße war er begrenzt durch Hecke und eine flache Brüstung, durch den Turm wurde er gleichsam bewacht. Die Kirche erhielt ein Pultdach, Gemeindehaus, Mitarbeiterwohnungen und Pfarrhaus Flachdächer, keine Spitzgiebel wie die umliegenden Häuser. Damit wollten die Architekten nicht etwa umbauten Raum sparen, sondern sie wollten zum Ausdruck bringen, -- so Trahn und Hölscher - " dass es in diesem Bezirk um eine andere Melodie geht, als in den Häusern ringsum". Andererseits sollte die Bauausführung zum Ausdruck bringen, diese Kirche ist nicht herausgenommen aus ihrer Umwelt, ist nicht nur aus Stahl, Beton und Glas gebaut, sondern auch sie ist mit Ziegeln verkleidet. Allerdings sind es nicht die hellen, roten Ziegel der Gaußstraße oder Röntgenstraße, sondern handgestrichene Klinker. Durch die umgebenden Flachbauten wurde für Kirche und Gemeindezentrum ein eigener Maßstab geschaffen. Die verhältnismäßig kleine Kirche gewinnt an Größe.
Rückansicht, noch ohne Turm
Im Innenraum fällt einiges auf: er ist nicht starr, rechtwinklig, sondern hat eine divergierende Außenwand. Die Altarrückwand ist außerdem leicht nach Innen geschwungen, konkav gewölbt. Der sich ergebende stumpfe Winkel ist optisch angenehmer als ein scharfer rechter Winkel, sagte mir Herr Trahn. Diese Wölbung hat auch akustische Bedeutung: dass es sich in der Kreuzkirche gut singt, hängt nicht nur mit der eingehängten Holzdecke zusammen, sondern auch mit dieser Altarwand. Die Kirche hat eigentlich keinen Mittelgang, d.h., der Raum ist nicht in zwei rechts und links gleich große Blöcke aufgeteilt. Auch stehen die Bänke nicht parallel, sondern etwas zueinander gewandt, aber ausgerichtet auf Altar, Kanzel und Taufe. Das helle Licht kommt in der Kirche vom Altarraum her und den Lichtreflexen auf der Rückwand. Wer an einem sonnigen Morgen die Kirche betritt, steht überrascht vor den leuchtenden Farben auf der Rückwand.
Der Chefredakteur der Lüneburger Landeszeitung, Helmut Pleß, schrieb nach der Einweihung der Kirche: " Die Stirnwand ist nur scheinbar ganz weiß gehalten. In der optischen Wirklichkeit wirkt sie als Projektionsfläche von großer Schönheit für den Baustoff Licht."
Im Übrigen aber wurde die Gestaltung der Altarrückwand zum Problem. Die Architekten hatten vorgesehen, dass an ihr einige Blöcke aus Nagelfluh-Gestein befestigt werden. Aus Nagelfluh bestehen auch der Quader für die Taufschale, die Blöcke für die Altarplatte, der Sockel der Kanzel. Verschiedene Gesteinsbrocken sollten so an der Rückwand angeordnet werden, dass der Betrachter aus ihnen ein Kreuz hätte bilden können und mit einiger Phantasie die Andeutung einer Gestalt unter diesem Kreuz. Es war Herbst 1964, als der Kirchenvorstand ein Modell dieses Entwurfes an der Wand sah, und er sagte einstimmig "Nein" zu diesem Entwurf. Der Kirchenvorstand wollte kein "demontiertes" Kreuz, sondern ein klares Bekenntnis. Was sollte geschehen? Die Bänke standen schon in der Kirche, der Altar stand, die Lampen hingen, -- eine Reihe mehr als heute. Probehalber wurde ein dunkles Holzkreuz über dem Altartisch aufgehängt, in verschiedener Größe und Höhe. Die vielen Lampen hinderten den Blick auf dieses Kreuz. Ein Lüneburger Arzt, mit dem ich über unsere Schwierigkeiten sprach, machte auf das Kreuzigungsgemälde eines alten Meisters aus dem 16. oder 17. Jahrhundert aufmerksam, das ihn bei einem Kunsthändler in Mosbach beeindruckt hatte. Meine Frau und ich fuhren nach Mosbach. Eine Reproduktion des Gemäldes wurde in Originalgröße auf unsere Altarplatte gestellt. Grundsätzlich war Architekt Hölscher der Auffassung, ein altes Kunstwerk könnte durchaus in einer modernen Kirche stehen. Für den Kirchenvorstand ergaben sich dennoch Fragen. Wir konnten uns nicht zu einem Ankauf entschließen. In der Zeitschrift ,,Kunst und Kirche" war mir eine Veröffentlichung des Bildhauers Wolfgang Kreutter aus Berleburg aufgefallen. Ihn baten wir um Beratung. Er kam und zeigte uns das Bronzekruzifix, das er für eine Kirche im Ruhrgebiet geschaffen hatte. Er könnte uns ein Duplikat als ,,Behelfslösung" überlassen. So ist es geschehen. Diese Bronzeplatte mit dem Gekreuzigten, der keine Dornenkrone trägt, sondern den Tod überwunden hat, hing seitdem an fast unsichtbaren Drähten über dem Altar. Helmut Pleß schreibt: " Sie scheint fast frei im Raum zu schweben".
Bis die Gemeinde in diese Kirche einziehen konnte, waren unerwartete Schwierigkeiten zu überwinden. Der Kirchenvorstand von St. Johannis hatte nach dem Architektenwettbewerb den Beschluss zur Ausführung des preisgekrönten Entwurfs gefasst, aber der Kirchenkreisvorstand verweigerte seine Zustimmung. Ein prominentes Mitglied dieses Gremiums sagte mir: " wir haben unsere großen, alten Kirchen, in denen viel Platz ist; setzt Busse ein und bringt die Menschen hin“. Mehrheitlich wurde gesagt: die Planung sei zu aufwendig. Das Martin Luther- Gemeindezentrum könnte als Vorbild dienen. Ein Pfarrhaus mit angehängtem Gemeindesaal würde auch für St. Johannis- Süd ausreichen.
Langwierige Verhandlungen begannen. Für den Kirchbauverein meldeten sich Klaus Meyer und Horst Ackermann, zwei profilierte Juristen, beim Präsidenten des Landeskirchenamtes an, unterrichteten ihn über die Situation und erklärten, dass es unverständlich sei, dass, nachdem mit Wissen des Kirchenkreisvorstandes der Architektenwettbewerb durchgeführt sei, dieser jetzt die Baugenehmigung verweigere. Der damalige Baudezernent des Landeskirchenamtes, Oberlandeskirchenrat Dr. Frank, kam zu einer Sitzung des Kirchenkreisvorstandes. Ihm gelang es, dessen Zustimmung herbeizuführen.
Erster Bauabschnitt sollte das Pfarrhaus sein, dann das Gemeindehaus mit zwei angehängten Wohnungen. Das Amtsträgerhaus an der Nordseite des Kirchplatzes sollte entfallen, der Bau des Turmes auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.
Noch 1961 konnte die Ausschreibung für das Pfarrhaus durchgeführt werden. Das Lüneburger Baugeschäft Erhard Raab erhielt den Zuschlag. Der Bau ging zügig voran. Am 23. Oktober 1962 konnten wir einziehen.
Grundsteinlegung am 31.10.1962
Schon eine Woche später, am Reformationstag 1962, erfolgte die Grundsteinlegung der Kirche - im Untergeschoß zwischen Gemeindehausteil und der späteren "Unterkirche". Am Reformationstag 1963 wurde das Gemeindehaus durch Landessuperintendent Dornblüth eingeweiht. Seitdem wurde hier im Konfirmandensaal Gottesdienst gehalten. Es war sehr eng, aber man rückte zusammen. Die Türen zur Vorhalle und zum Flur waren geöffnet. Ein kleiner Chor wirkte mit. Ein Lesepult war vorhanden. Am Harmonium - von der Militärseelsorge entliehen - saß die Klavierlehrerin Gisela Jauch/Bechstedt. Sie hatte die kleinere Amtsträgerwohnung bezogen. Die größere Wohnung hatte das Küsterehepaar Karl und Martha Heuer erhalten.
In meinem Dienst als Standortpfarrer war Karl Heuer mein erster Pfarrhelfer. Der Standortkommandant Major von Levetzow hatte ihn mir wärmstens empfohlen. Beide hatten sich, bevor die Bundeswehr einrückte, eine Zeitlang bei den Engländern betätigt. Herr von Levetzow sagte von Karl Heuer: "Er ist das beste Pferd im Stall". Herr Heuer wurde ein exzellenter Pfarrhelfer. 1963 konnte ich mir keinen besseren Küster denken als ihn. Er sah den Küsterdienst nicht als Job an, sondern als große Aufgabe, die er mit Einsatzfreude gewissenhaft erfüllt hat. Er war immer zur Stelle, hilfsbereit und freundlich. Unterstützt wurde er durch die Mithilfe seiner Frau. Ab Herbst 1963 wohnten Heuers auf dem Kirchplatz.
Von der Röntgenstraße führte 1963/64 ein schmaler Durchgang zum Gemeindehaus; der größere Teil des Kirchgrundstückes war Bauplatz. Hier wurden die 14 Betonpfeiler der Kirche hergestellt, die ein großer Baukran in die vorbereiteten Fundamente hievte. Eine Zeitlang ragten nur diese Pfeiler empor, bis dann die Zwischenräume mit Mauerwerk gefüllt und die Nord- und Südwand hochgezogen waren. Ausführende Baufirma war das Baugeschäft Todt aus Hamburg, die Ausführung der nördlichen Kirchenwand erfolgte durch die Lüneburger Firma Garbers.
Aufrichten der Pfeiler Blick vom Pfarrhaus 1963
Während der ganzen Bauzeit hat sich kein Unfall ereignet. Einmal schreckten wir nachts durch ein Krachen im Kirchenraum auf. Eine Leichtbetonplatte war vom Dach in den Kirchenraum gefallen. Gott sei Dank, dass es sich nicht tagsüber ereignet hat.
Ärgerlich war ein Zwischenfall 1963 im Gemeindehaus kurze Zeit vor Einweihung desselben. Im Heizungskeller erfolgte eine Verpuffung. Danach lag ein dünner Ölfilm im ganzen Gemeindehaus auf Fußböden und Türen, auf Tischen und Stühlen. Diese Verschmutzung zu beseitigen, war fast eine Sisyphusarbeit, die aber vom Ehepaar Heuer, dem Kirchenvorsteher Hans Meyer, seiner Frau, der Pfarrfamilie und einigen anderen Helfern bewältigt werden konnte.
Am 1.Advent 1964 versammelte sich gegen 14 Uhr eine große Gemeinde auf dem Kirchplatz. An der weit geöffneten Kirchentür übergab der Architekt den Kirchenschlüssel an Landessuperintendent Andersen, der ihn an mich weitergab. Die Gemeinde hielt Einzug in ihre neue Kirche. Die Sitzplätze reichten nicht. Viele Menschen mussten stehen. Der einmal zu einer Kircheinweihung gedichtete Adventschoral erklang zum ersten Mal in der Kreuzkirche: "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit". Die eigentliche Kircheinweihung erfolgte in der durch die Agende gegebenen Form. Dem Landessuperintendenten assistierten Superintendent Oskar Meyer und Militärpfarrer Friedel Kleinschmidt. Oberlandeskirchenrat Flohr überbrachte die große, von Landesbischof D.Lilje gestiftete Altarbibel, in die er als Widmung geschrieben hatte: "Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden, uns aber, die wir selig werden, ist's eine Gotteskraft." (I.Kor.l,18)
Als ich am 31. August 1980 in der Kreuzkirche meine Abschiedspredigt hielt, erinnerte ich daran, dass jeder Abschied ein Stückchen Sterben ist. Es geht ja nicht nur um Abschied von dienstlichen Verpflichtungen, es heißt auch Abschied nehmen von dem, was aufgebaut ist, sich trennen von dem Lebenskreis, in dem man heimisch geworden. Aber an Christus glauben, das heißt, damit rechnen, dass sowohl unsere persönlichen Freuden und Nöte, also auch der Abschied, unter der wunderbaren Zuwendung Gottes steht. In solcher Gewissheit nehmen wir Abschied, gehen wir in die Zukunft. - Darum ist es kein tragischer Abschied. Lasst uns vielmehr Gott danken für seine unbegreifliche Gnade und Liebe, mit der er uns auch in diesen Jahren hier in Lüneburg umgeben hat, umgibt und auch künftig umgeben wird.
Ich schließe mit den Worten: "Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da war, der da ist und der da kommt."
Neßmersiel, im November 2004
Bilder vom Turmbau, Glockenguss und Einholen der Glocken 1968 und dem Orgelbau 1970
Glockeneinholung
Oben links: "Dona nobis pacem" - sie ist sehr schwer
Oben: "Kyrie" - schon leichter
Links: die "Halleluja"-Glocke
Der Orgelbau
Einweihung am 4. Advent 1970