Gott spricht zu dir - Kreuzkirche Lüneburg

Kreuzkirche Lüneburg
Kreuzkirche
Direkt zum Seiteninhalt

Gott spricht zu dir

Vision
Liebe Gemeinde,
 
vielleicht kennen Sie dies auch von sich: Jemand (er oder sie) entscheidet etwas und fühlt sich dabei innerlich aufgefordert, diese Entscheidung auch wirklich in die Tat umzusetzen. Es könnte die Entscheidung sein zu heiraten oder eine Bekanntschaft zu vertiefen und so zu pflegen, dass daraus eine Freundschaft wird. Es könnte der Entschluss sein, von Norddeutschland nach Süddeutschland zu ziehen ... oder ... wieder zur Kirche zu gehen und an Gemeindeveranstaltungen und Gottesdiensten teilzunehmen. Es kommt mir im Moment nicht darauf an, welche Entscheidung es inhaltlich ist. Wichtig ist mir für diesen Moment:
 
Jemand trifft eine Entscheidung, „die nicht einfach von seinem bewußten Ich ausgeht, sondern die ihm selbst als etwas vorkommt, dass er verrichten muß“.[1] Er ist ergriffen, beseelt und überzeugt, er fühlt, dass seine Entscheidung nicht nur Kopf gesteuert ist, sondern auch von Herzen kommt. Wenn dieser Jemand heutzutage ein gläubiger Mensch ist, wird er möglicherweise von einem Ruf des Lebens, Ruf Gottes an ihn sprechen. Vor 3000 oder 2000 Jahren hätte er gesagt, ein Engel wäre ihm im Traum erschienen und hätte ihn beauftragt. Sie erinnern eventuell aus der Weihnachtsgeschichte, dass ein Engel Josef im Traum erscheint, ihn warnt und dann beauftragt, mit Maria und dem Kind nach Ägypten zu fliehen. Zur Zeit der ersten Christen deutete man die innere Gewissheit, dass Gott jemandem einen Auftrag erteile, besonders mit der Wirkung des Heiligen Geistes.
 
 
Beide Erklärungen - Engel, Heiliger Geist - tauchen in unserer Predigtgeschichte auf. 26 Aber der Engel des Herrn redete zu Philippus und sprach: Steh auf und geh nach Süden auf die Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt und öde ist. 27 Und Philippus stand auf und ging hin. Und siehe, ein Mann aus Äthiopien, ein Kämmerer und Mächtiger am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien, ihr Schatzmeister, war nach Jerusalem gekommen, um anzubeten. 28 Nun zog er wieder heim und saß auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaja. 29 Der Geist aber sprach zu Philippus: Geh hin und halte dich zu diesem Wagen! 30 Da lief Philippus hin und hörte, dass er den Propheten Jesaja las, und fragte: Verstehst du auch, was du liest? 31 Er aber sprach: Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet? Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen.
 
Was Gott durch seinen Geist Philippus sagt und aufträgt, ist eindeutig und sehr fest umrissen. Wir dürfen nicht übersehen, dass Lukas hier verkürzt, weil er alles Wichtige für uns deutend in ein paar Zeilen zusammenfassen muss, was in Philippus geschah, damit er den äthiopischen Kämmerer trifft. Möglicherweise klingt Lukas' Schilderung deshalb märchenhaft oder unglaubwürdig. Ich bin aber davon überzeugt, dass Gott durch seinen Geist nicht nur damals sprach vor 3000-2000 Jahren, sondern auch heute noch zu uns und in uns spricht. Es ist dann selten ein fest umrissener Auftrag, sondern wir erleben einen inneren Prozess, an dessen Ende wir geordnet und geklärt haben, was wir unbedingt wollen oder was wir mit fester Überzeugung meinen tun zu müssen. Wie „es dann weitergeht und endet, wird sich erst nach und nach erweisen; sich auf den Weg zu machen ist daher das Wichtige, nicht die genaue Kenntnis von Ziel und Ergebnis.“[2]
 
 
Ich will uns ein Beispiel geben. Es zeigt meines Erachtens, dass es nicht märchenhaft zugeht oder unglaubwürdig ist, wenn ich heute und hier in den Raum stelle: Gott spricht durch seinen Geist auch direkt zu uns und in uns.
 
 
Das Beispiel ist unsere Vision von Gemeindearbeit hier in 'Kreuz', die wir in den Jahren 2009 und 2010 entwickelt haben für den Zeitraum 2010-2020. Es war ein Klärungsprozess über viele Monate. Wir haben während dieser Zeit ein Buch über Gemeindeaufbau im Kirchenvorstand gelesen und kritisch darüber diskutiert. Jede und jeder hat sich seine eigenen Gedanken gemacht und sich mit den anderen im Vorstand ausgetauscht. Schließlich haben wir an einem Wochenende unsere Vorstellungen zu einer Vision zusammengetragen. Im letzten Teil dieser Vision - sie besteht aus drei Punkten - heißt es unter Punkt drei: „Wie wollen wir die Menschen erreichen? Wir erweitern die persönlichen Kontakte, erstellen bedürfnisorientierte Angebote in angenehm gestalteten Räumen, schaffen Atmosphäre und ermutigen zur Teilhabe.“ Wir wussten damals nicht, wie wir es erreichen, bedürfnisorientierte Angebote in angenehm gestalteten Räumen anzubieten. Aber wir fühlten uns innerlich aufgefordert, diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Wir haben geglaubt, dass diese Vision nicht aus dem Geltungsbedürfnis unseres Egos hervorgegangen ist, sondern aus unserem Herzen und unserer Seele, weil Gott uns ruft. Und darum haben wir uns an die Arbeit gemacht, ohne schon das Ergebnis zu kennen. Wir wussten auch nicht, wie wir diese Vision finanzieren könnten. Aber wir haben uns auf den Weg gemacht. Und schauen Sie nur einmal auf die angenehm gestalteten Räume im Gemeindehaus und auf die stimmige Atmosphäre hier im Kirchenraum mit Licht und der besseren Akustik, mit bequemen Stühlen hier vorne und Kunst an den Wänden (in dieser Woche wurde Platz gemacht für die nächste Ausstellung, deshalb hängen zurzeit keine Bilder an den Wänden). Ich will aber nicht auf dieses Ergebnis hinaus, sondern dass wir im Vorstand empfunden haben: Wir handeln nicht eigenwillig, sondern weil Gott uns ruft, mit unserer Vision für die Gemeinde dazusein. In der Sprache des Evangelisten Lukas hieße dies verkürzt, ein Engel wäre uns erschienen oder der Geist Gottes leitet uns.
 
 
Ich weiß, dass man mit solch einer Deutung vorsichtig sein muss, dass Gott zu uns und in uns spricht. Es gibt ja Menschen mit religiösen Wahnvorstellungen. Sie hören Stimmen und fühlen sich vielleicht sogar von Gott beauftragt, in seinem Namen einen Menschen zu töten. Zu nennen wäre hier die Frau, die Frère Roger in Taizé erstochen hat. Oder wir denken an andere schreckliche Dinge, die als von Gott gewollt ausgegeben wurden: die Kreuzzüge, Folter der Inquisition oder Hexenverbrennungen. Und vieles mehr. Aber diese Geschehnisse lassen sich nicht mit Jesu Geist vereinbaren. Dies ist also die Kontrollfrage: Lässt sich das, wozu ich mich berufen fühle, mit Jesu Geist vereinbaren? Auch ist kritische Gemeinschaft wichtig, in der ich mich hinterfragen lasse. Ich kann Ihnen versichern, dass wir sehr kritisch geprüft haben, wie viel Geld wir von der Bank aufnehmen können, um zum Beispiel das Gemeindehaus zu renovieren. Es sollte der nachfolgenden Generation keine Schuldenlast übergeben werden. Das ist uns geglückt.
 
 
Also, vorsichtig muss man sein. Aber heißt diese Vorsicht am Ende, man geht davon aus, dass Gott heute nicht mehr durch seinen Geist spricht? Dass er nicht mehr unter uns wirkt? Dass er zuletzt durch Christus und die Verfasser der neutestamentlichen Schriften gesprochen hat? Oder nur durch studierte und ordinierte Pastoren? Warum hat er dann zur Zeit Jesu einfache Fischer zu Aposteln berufen und nicht die theologischen Köpfe jener Zeit, die sogenannten Schriftgelehrten?
 
Jede und jeder von uns möge die Antworten auf diese Fragen für sich selbst zu Ende denken. Ich für meinen Teil bleibe dabei, dass Gott auch heute spricht, zu uns spricht und durch uns wirkt.
 
 
Wie geht die Geschichte mit Philippus und dem Kämmerer weiter? Und was legt der Ausgang der Geschichte uns nahe?
Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen. 32 Die Stelle aber der Schrift, die er las, war diese (Jesaja 53,7-8): »Wie ein Schaf, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf. 33 In seiner Erniedrigung wurde sein Urteil aufgehoben. Wer kann seine Nachkommen aufzählen? Denn sein Leben wird von der Erde weggenommen.« 34 Da antwortete der Kämmerer dem Philippus und sprach: Ich bitte dich, von wem redet der Prophet das, von sich selber oder von jemand anderem? 35 Philippus aber tat seinen Mund auf und fing mit diesem Schriftwort an und predigte ihm das Evangelium von Jesus. 36-37 Und als sie auf der Straße dahinfuhren, kamen sie an ein Wasser. Da sprach der Kämmerer: Siehe, da ist Wasser; was hindert's, dass ich mich taufen lasse? 38 Und er ließ den Wagen halten und beide stiegen in das Wasser hinab, Philippus und der Kämmerer, und er taufte ihn. 39 Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; er zog aber seine Straße fröhlich.
 
 
Der Kämmerer hatte als höchster Finanzbeamte seiner Königin ein sehr gutes Auskommen, Privilegien und Ansehen. Dennoch befand er sich auf der Suche nach Gott in seinem Leben. Wegen dieser Suche war er nach Jerusalem gereist, um „anzubeten“, wie es in der Geschichte heißt. Dass er sich taufen lassen wollte, zeigt: Er war bereit, um Gottes willen und seiner selbst willen sein Leben neu zu gründen und neu auszurichten. Er war also bereit, „'umzukehren' in allem und sein Dasein nicht länger zu gründen auf Fragen wie ...., was einer hat, was einer kann, wie einer dasteht,,,".[3]
 
Stattdessen wollte er sich anvertrauen einer Güte, die ihn absolut und unbedingt ohne eine Lebensleistung will und meint,[4] der Güte Gottes, wie sie Jesus gepredigt und vorgelebt hatte und Philippus ihm erklärte. Er kehrte zurück zu seiner Königin und zu seinen Aufgaben, aber er war nicht mehr derselbe wie vorher. Denn Lukas schreibt: Er zog aber seine Straße fröhlich.
 
 
Für uns bedeutet dies: Es ist das größte und fröhlichste Geschehen, wenn wir im Geist denken und im Herzen und in der Seele fühlen, dass Gott uns will und meint ohne all das, was wir haben, was wir können, wie wir dastehen. Wir können unseren eigenen Weg gehen - entweder mit Fröhlichkeit oder in schwierigen Zeiten mit Trost -, weil Gott uns will und meint, ohne dass wir etwas beweisen oder darstellen müssen. Wo gibt es das sonst noch?
 
 
Die Geschichte von Philippus und dem Kämmerer endet merkwürdig. Wir hörten: Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus und der Kämmerer sah ihn nicht mehr. Man muss diesen Satz seiner mythischen Erzählweise entheben und zum Kern gelangen. Lukas will sagen: So wie Gott Philippus durch den Geist geführt hat, führt er ihn weiter. Und dies bedeutet, dass der Kämmerer seinen Weg allein gehen muss: Seine eigenen Erfahrungen damit machen muss, dass Gott auch zu ihm sprechen will, wo immer er ist. Und dass er sich getragen fühlen darf davon, dass Gott ihn will und meint, ohne dass er etwas beweisen oder darstellen muss.
 
 
Können wir es in unseren Alltag mitnehmen, dass Gott uns will und meint, ohne dass wir etwas beweisen oder darstellen müssen? Wir hätten dann ja die Freiheit, auch vor unserer Familie, vor unseren Freunden und Bekannten nichts beweisen oder darstellen zu müssen. Was für eine Gelassenheit! Wir hätten Hoffnung, Trost und Freude, dass Gott zu uns spricht und uns ruft; nämlich das zu tun, was sich immer wieder in einem inneren Prozess klärt und ordnet und was wir aus tiefstem Wesen und Herzen hervorbringen möchten. Amen


Foto: Peter Habereder  / pixelio.de

[1]           Drewermann: Die Apostelgeschichte. S. 386/387
[2]           Ebenda, S. 387
[3]           ebenda S. 400
[4]           ebenda
 
 

Angaben gemäß § 5 TMG und Verantwortlich für den Inhalt nach § 55 Abs. 2 RStV:
Der Kirchenvorstand der Kreuzkirchengemeinde Lüneburg
Röntgenstr. 34
21335 Lüneburg
Zusammenstellung: J.Koke


Made with WebSite X5

Kontakt:
Info@Kreuzkirche-Lueneburg.de
J.Koke@Kreuzkirche-Lueneburg.de
Gemeindebüro Telefon: 04131/ 731 434, Heike.Koerber2@evlka.de


Zurück zum Seiteninhalt