Liebe Gemeinde,
Kenny Wayne Shepherd ist heute 40 Jahre alt und seit 20 Jahren ein bekannter Bluesrock-Musiker aus Louisiana, USA. Wir haben uns im Konfir mit seinem Lied befasst aus zwei Gründen. Als ich es zum ersten Mal hörte, verstand ich den Gesang so: It ain't got nothing to do with the Lord. Es hat nun wirklich nichts mit Gott zu tun. Und ich dachte: Den Text musst du mal genauer wahrnehmen und verstehen. Dabei kam dann jedoch heraus: Es heißt nicht Gott, sondern Liebe. Es hat wirklich nichts mit Liebe zu tun. Diese Abweichung ist nun aber nicht schlimm. Denn die Bibel sagt: Gott ist die Liebe. Und so stimmt denn beides: Das Unrecht, was Shepherd besingt, ist nicht mit Gott zu vereinbaren, denn es hat nichts mit Liebe zu tun. Also jemanden finanziell auszunutzen, indem man so tut, als würde man ihn lieben, das ist weder mit Gott noch mit der Liebe zu vereinbaren. Auch nicht: Elend auf der Welt hervorzurufen und Menschen zu töten. The whole world is falling apart, singt Kenny Wayne Shepherd. Die ganze Welt fällt auseinander. Diese Beschreibung des Weltzustandes scheint wirklich wiederzugeben, was wir in diesen Tagen empfinden. Und genau dies war der zweiteGrund, warum wir im Konfir das Lied bearbeitet haben für diesen Gottesdienst: Das Lied beschreibt unser Lebensgefühl, dass im Moment sehr viele Dinge aus dem Ruder zu laufen scheinen.
Nehmen wir uns jetzt mal vor, Kenny Wayne Shepherds schärfste Kritik am Zustand der Welt zu verstehen. Und danach schauen wir, was die Welt heilen und zusammenbringen kann. Und damit es nicht zu großspurig klingt, sprechen wir dann erst mal nur von unserer kleinen Alltagswelt. Denn wir wollen ja diesen Gottesdienst frohen Mutes verlassen.
Jetzt also zunächst zu Shepherds Kritik: Es hat nichts mit Liebe zu tun, wenn Menschen einander verletzen. Es hat nichts mit Liebe zu tun, wenn Menschen sich im Namen Gottes gegenseitig töten. Shepherd meint vermutlich: Auf der einen Seite stehen gläubige Muslime, die gegen andersgläubige Muslime kämpfen: Sunniten gegen Schiiten, Iran gegen Irak. Oder gläubige IS-Kämpfer töten alle, die in ihren Augen Vertreter des Bösen sind. Sie töten Muslime, die nicht radikal genug sind, sie töten Christen und Menschen ohne Glaubensbekenntnis. Oder amerikanische Soldaten, unter ihnen viele gläubige Christen, fallen in den Irak ein und bomben und kämpfen Soldaten eines Staates nieder, um sich am Attentat 9/11 zu rächen und um Zugriff auf Ölquellen für die USA zu sichern. Shepherd singt: It ain't got nothing to do with love. Das hat doch nichts mit Liebe zu tun, das darf doch nicht im Namen Gottes geschehen.
Und vielleicht haben Sie, vielleicht habt ihr das auch schon ein paar Mal in den letzten Jahren gedacht: Wie kann es angehen, dass gläubige Menschen im Namen Gottes andere Menschen verletzen oder töten? Woran liegt das?
Ich meine, wir können das sehr klar beantworten; und es ist auch nicht schwer zu verstehen. Der Zusammenhang ist eigentlich schon im Neuen Testament erklärt: Die Jünger Jakobus und Johannes hatten sich der Jesusbewegung angeschlossen, erzählt der Evangelist Markus, aber sie wollten an Jesu Seite zu Macht und Ruhm gelangen. Sie wollten richtig groß 'rauskommen. Und so offenbarten sie sich Jesus, dass sie in seiner ewigen Herrlichkeit neben ihm sitzen wollten als Mitherrscher, als Mitherrscher zur Linken und zur Rechten Jesu. Doch Jesus verwehrt ihnen den Wunsch und stellt ein Kind in die Mitte und sagt: Ihr sollt nicht groß und mächtig werden wollen, sondern so sein wie ein Kind: schutzlos, vertrauend, spontan, mit euren Gefühlen in Kontakt, kreativ.
Was die Jünger Johannes und Jakobus wollten, wiederholt sich ständig in der Religionsgeschichte aller Religionen; und je weiter verbreitet eine Religion in der Welt ist und je mehr sie mit dem Staat oder bestimmten Stammesgruppen verknüpft ist, umso mehr Menschen nutzen die Religion scheinheilig zu ihren Zwecken: Glauben? Ja, natürlich, aber eigentlich nur groß 'rauskommen wollen. Glauben, ja, aber eigentlich nur um Macht und Ruhm zu erlangen. Doch: Das ist nicht mit Gott zu vereinbaren, das hat nichts mit Liebe zu tun.
Dies wäre also klar. Wir könnten nun heute Morgen einen Fehler begehen, indem wir empört mit dem Finger beispielsweise auf die IS-Kämpfer zeigten und sagen, was für schlechte, brutale Menschen und unwürdige Gläubige sie sind (was ja stimmt!), und wir könnten uns selbst stattdessen hervorheben, dass wir ja die Religion nicht zu eigenen Zwecken ausnutzen. Damit hätten wir zwar oberflächlich betrachtet vollkommen recht, aber in der Tiefe tut sich vielleicht eine andere Wahrheit auf. Ich nenne diese Wahrheit den „Ja, aber-Glauben.“
Ja, ich glaube an einen Gott, aber nur, wenn er mir hilft.
Ja, ich glaube, aber es gibt gewisse Grenzen, die muss Gott respektieren: Ich werde, wenn mich einer schlägt, nicht die andere Wange hinhalten. Sondern ich schlage zurück. Und zwar so kräftig, dass der andere keine Sonne mehr sieht.
Ja, ich glaube an Gott und gehe auch zur Kirche, aber nur, wenn mir gute Kirchenmusik oder eine inspirierende Predigt geboten wird.
Als letztes Beispiel hier eine Situation, die zu Innenstadtkirchen gehört:
Ja, ich glaube an Gott und gehe auch zur Kirche, aber die bettelnden Flüchtlinge oder Obdachlosen vor der Kirchentür haben da nichts zu suchen.
Sie merken, liebe Gemeinde, ich könnte hier sehr viele Beispiele des „Ja, aber-Glaubens“ aufzählen. Doch der Punkt ist m.E. gesetzt. Dieser Ja, aber-Glaube ist der kleine Bruder des großen Bruders Ja, ich glaube an Gott, aber nur wenn ich dadurch ganz groß 'rauskomme; wenn ich dadurch zu Ruhm und Macht gelange. Mit anderen Worten: Ein IS-Kämpfer ist mit seinem Ja, aber-Glauben im Ansatz (ich betone: im Ansatz!) nicht anders als ein Bürger unserer Stadt, der auch auf Ja, aber-Weise glaubt. Der einzige - dann wesentliche - Unterschied ist: Der Bürger unserer Stadt bringt niemanden um. Aber beide haben im Prinzip die gleiche Ja, aber-Denkweise, verfolgen das gleiche Muster in Bezug auf den Glauben.
Wie geht es anders? Wir wollen ja frohen Mutes nachher zum Osterbasar gehen. Was macht unsere kleine Welt heil? Wenn die kleine heil ist, besteht auch die Chance, dass Größeres daraus wird. Wie kann unser Glauben die Liebe stärken? So dass Kenny Wayne Shepherd singen würde: It has to do with love. People help each other in the name of the Lord. Es hat mit Liebe zu tun. Menschen helfen einander im Namen Gottes.